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Dialog

Jahresbericht Aqua Viva, Februar 2002



Gemeinsame Medienmitteilung von Grimselverein, KWO, Regierungsstatthalterin Oberhasli, Pro Natura und WWF am 20. März 2003:

Der Konfliktlösungsdialog zu KWO plus ist gescheitert

Der Konfliktlösungsdialog zum Ausbauprojekt KWO plus mit Höherstau des Grimselsees und Intensivierung der Wasserkraftnutzung ist gescheitert. Die Verträge zum Dialogverfahren zwischen den Umwelt- und Fischerei-Organisationen (Grimselverein, Pro Natura, WWF und sieben weitere) und der KWO, die angelehnt waren an die Empfehlungen der KOWA Konfliktgruppe Wasserkraft des bundesrätlichen Programms Energie 2000 wurden aufgelöst.

Naturgemäss sehen nicht alle Beteiligten die Gründe für das Scheitern des Dialogs gleich, und wie üblich im Fall eines Konflikts neigt man dazu, der anderen Seite die Verantwortung zuzuschieben... Klar ist, dass beim aktuellen Stand der Dinge kein Verhandlungsspielraum da ist; in den Kernfragen, besonders in den unvereinbaren Rechtsauffassungen zum Moorschutz, beharren die Beteiligten auf ihren Positionen und werden voraussichtlich das Bundesgericht entscheiden lassen müssen. Bezüglich eines Interessensausgleiches gibt es zur Zeit wohl zahlreiche interessante Ideen, aber leider keine gemeinsame Vorstellung, welche auf allseitige Zustimmung zählen kann.

Alle Beteiligten haben sich ernsthaft und aufrichtig auf diesen Dialog eingelassen, mit der Bereitschaft, abzurücken von jeweiligen Idealvorstellungen, und bedauern es, trotz aller Bemühungen nun an Grenzen zu stossen. Dass wir im Zug dieser Gespräche einen respektvollen Stil in der Auseinandersetzung gefunden und gepflegt haben, ist ein Gewinn nicht nur für die direkt Beteiligten, bedeutet Aufbruch und Kulturwandel für das Oberhasli. In der Sache ist leider keine Einigung zustandegekommen, und das zwingt uns, das ganze Unternehmen Dialog neu zu überdenken.

Die ursprüngliche Absicht des Dialogs, nämlich: die Interessen der KWO, die Anliegen des Natur- und Gewässerschutzes und die Entwicklungsziele der Region auszugleichen, ist nicht preisgegeben, aber es müssen andere Mittel und neue Wege gefunden werden. Mit der Auflösung des Dialogverfahrens nach den Empfehlungen der KOWA wurde die Basis für einen Neuanfang gelegt. Wie dieser aussehen soll, wird sich in allernächster Zeit weisen.



Trotzdem noch dies zur Geschichte und zum Wesen des Dialogs:

Von der Konfrontation zum Dialog - Konfliktlösungsdialog KWO Plus

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts ging ein Aufatmen durch die ökologische Schweiz: die Kraftwerke Oberhasli AG KWO haben im Dezember 1999 das gigantische Projekt Grimsel West nach 12-jähriger Auseinandersetzung zurückgezogen zugunsten eines moderateren Ausbausprojektes KWO Plus. Das neue Projekt sieht vor allem eine Modernisierung der bestehenden Anlagen vor, ohne neue Wasserfassungen, beinhaltet aber auch eine ökologisch nicht unbedenkliche Vergrösserung der bestehenden Grimselstaumauern und eine massive Leistungssteigerung in einer letzten Phase. Der Grimselverein hat die Initiative ergriffen und den Dialog gesucht, auf den sich die neue KWO-Direktion sich ohne Zögern einliess. Sie wünschte sich ausdrücklich den Grimselverein als lokalen Partner in ökologischen Fragen. Erstmals sollen hier nun die vor rund sieben Jahren in einem aufwendigen Mediationsverfahren erarbeiteten und erstrittenen Grundsätze des Konfliktlösungsdialogs der KOWA (Konfliktlösung Wasserkraft) an einem konkreten Fall angewendet werden. Die Schutzorganisationen, die in der Arbeitsgruppe Gewässerschutz zusammengeschlossen sind, haben sich auf den neuartigen Dialogsprozess und damit in ein Abenteuer eingelassen, dessen Erfolg und Ende noch weit in den Sternen liegt. Im Wissen, dass der Weg unbekannte Gefahren in sich birgt und dass stete Vorsicht am Platz ist, will man die Chancen nutzen, im Gespräch einen allseits zufriedenstellenden Konsens mit nachhaltigen Lösungen zu suchen.

Von Grimsel West zu KWO Plus
Das Schreckgespenst Grimsel West sah vor, in 15-jähriger Bauzeit und für 4 Milliarden Franken ein gigantische Pumpspeicherwerk zu erstellen, das alle bisherigen Anlagen in den Schatten stellen würde. Eine gewaltige neue Staumauer sollte das Volumen des bestehenden Grimselsees vervierfachen. Dahinter sollte die einzigartige Moorlandschaft Sunnig Aare samt ihrem Arvenwald ersäuft werden, ebenso wie 3,5 Kilometer des Unteraargletschers, der als Wiege der Gletscher- und Eiszeitforschung gilt. Zusätzlich waren neue Wasserfassungen und Zentralen geplant.

Heute sind die Wasserkräfte im Oberhasli praktisch vollständig ausgenützt: aus 8 Stauseen produzieren 9 Zentralen und ein Umwälzwerk Strom. Die Aare, das Gadmer-, Trift- und Urbachwasser sind Restwasserstrecken mit stark gestörtem Abflussregime und das Wasser zahlreiche Seitenbäche wird bis auf den letzten Tropfen gefasst. Die Anlagen stammen zum Teil aus den späten zwanziger Jahren. Sie sind ins Alter gekommen, revisionsbedürftig, technisch überholt und weisen betriebliche Schwächen auf. Nach dem Fiasko um Grimsel West hat die Einsicht gewonnen, die heutigen Schwachstellen im Rahmen eines umfassenden Modernisierungs- und Ausbauprojektes zu beheben, ohne neue Wasserfassungen. KWO Plus sieht vor, Modernisierung und Ausbau etappenweise aufeinander abgestimmt vorzunehmen. In einer ersten Phase sollen ein neuer Parallelstollen zwischen Handegg und Innertkirchen gebaut, die Zentrale Grimsel 1 erneuert und die bestehenden Staumauern des Grimselsees um 23 Meter erhöht werden. Daraus resultiert eine Produktionssteigerung von 50 GWh ( .. %) mit einer Produktionsumlagerung in den Winter. Anschliessend ist ein neuer Strang zwischen Grimsel und Innertkirchen vorgesehen mit einer massiven Leistungssteigerung (analog Cleuson-Grand Dixence) von 1200 MW. Mit Ausnahme der Staumauererhöhung kämen die meisten Anlagen unter Tag zu stehen.

Bereits vor einem Jahr hat der Grimselverein mit der KWO-Direktion das Gespräch gesucht. Inzwischen ist der Konfliktlösungsdialog, wie er in der KOWA-Vereinbarung von 1994 vorgesehen ist, erstmals offiziell aufgenommen worden. Durch die Vermittlung der Arbeitsgruppe Gewässerschutz, in der alle Umweltschutzorganisationen vertreten sind, ist eine 3-köpfige Verhandlungsdelegation (Grimselverein, Pro Natura, WWF) bestimmt sowie eine Begleitgruppe der interessierten Organisationen zusammengestellt worden. Auch das Bundesamt für Energie befürwortet den Dialog und hat eine finanzielle Unterstützung des Mediationsverfahrens in Aussicht gestellt.

Vom fundamentalen Widerstand zum kritischen Dialog - eine neue Kultur
Wegen seines zerstörerischen Ausmasses hat das Projekt Grimsel West unseren gesamten, fundamentalen und kompromisslosen Widerstand erfordert. Demgegenüber scheint KWO Plus auf einem diskutierbaren und entwicklungsfähigen Konzept zu basieren. Wir haben stets für eine Modernisierung und einen angemessenen Ausbau der bestehenden Anlagen plädiert, der die Anliegen der ansässigen Bevölkerung, der Natur und Umwelt wie auch der regionalen Wirtschaft berücksichtigt. Neben den vorbehaltlos unterstütztbaren Erneuerungen enthält KWO Plus heute jedoch auch Komponenten, die gravierende Auswirkungen auf die Umwelt haben. Auswirkungen, die wir noch nicht vollumfänglich abschätzen können, die nicht verniedlicht werden dürfen, die nicht mit minderwertigen Kompensationsmassnahmen abgegolten werden dürfen und die nach wie vor unseren Widerstand erfordern. Wir zweifeln nicht an der Aufrichtigkeit der Verhandlungsbereitschaft und trauen dem neuartigen Verfahren durchaus Erfolgschancen zu, doch wir können und wollen uns nicht einfach in die Arme der Nachfolger unserer alten Gegner werfen.

12 Jahre fundamentaler Widerstand auf der einen Seite, zahllose Hinterhältigkeiten, Gesprächsverweigerung, haltlose Anschuldigungen mit einer ausgeprägten Pflege des Konfliktes auf der andern Seite haben ein Klima geschaffen, das nicht für einen Dialog geeignet ist.

12 Jahre unermüdlicher und aufreibender Kampf mit unzählige Stunden unentgeltlichen Einsatzes zur Wahrung der öffentlichen ökologischen und volkswirtschaftlichen Interessen, als Ersatz für die staatlichen Organe, allen voran die Berner Regierung, die ihren Pflichten nicht nachgekommen sind und sich sogar vor den Karren der Strombarone einspannen lassen, all dies hat auf unserer Seite ein nachhaltiges Misstrauen geweckt, das nicht so einfach von heute auf morgen weggesteckt werden kann. Das Beet für einen gemeinsamen Pflanzblätz muss erst noch bestellt und dann gepflegt werden. Langsam greift jedoch die Einsicht, dass auf gegenseitiger Missachtung und Verunglimpfung keine zeitgemässen Lösungen wachsen können, um den künftigen Herausforderungen der Globalisierung in einer Randregion gewappnet zu sein. Langsam keimt eine neue Konfliktkultur auf, die eine Zusammenarbeit trotz gegensätzlichen Standpunkten erlaubt, die erlaubt, dass man sich einig ist, dass man auch uneinig sein darf. Eine Kultur, die von einer gesunden, aufbauend verstandenen Kritik lebt und es erlaubt, gemeinsam Projekte zu verfolgen.

Nach wie vor betrachten wir die Ausbaupläne der KWO kritisch. Wir sind uns bewusst, dass die KWO keine Schutzorganisation geworden sind. Ihre Bereitschaft zu Anstrengungen in den ökologischen Bereichen basiert auf einer neuen Unternehmensphilosophie. Sind ist Teil eines ökonomischen Konzeptes und entspringt nicht einer ökologischen Einsicht. Sie ist Teil einer neuen Marketingstrategie, die auf der Einsicht basiert, dass die Mehrwerte der Wasserkraft in einem offenen Markt nur realisiert werden können, wenn ökologische Rahmenbedingungen beachtet werden und dadurch die spezifischen Produktionsbedingungen deklariert werden können. Mit der aktiven Einbindung der Umweltorganisationen in die Planung von KWO Plus verfolgen die KWO nicht ökologische Ziele. Der Dialog hat zum Zweck, Beschwerdeverfahren und Projektverzögerungen durch eine frühzeitige gemeinsame Konfliktbereinigung umzuschiffen. Wenn dabei neben ökologischen auch technische Projektoptimierungen entwickelt werden, sind dies willkommene Nebenprodukte, die nur Recht sein können. Wir haben gegen diese eigennützige Haltung nichts einzuwenden, wenn sie klar als solches kommuniziert wird. Gerne beteiligen wir uns am Dialog, wenn auch unsere ökologischen Standpunkte ernst genommen werden und nicht nur Pseudoökologie betrieben wird. Ein ehrlicher Dialog braucht klare Standpunkte als Ausgangslage, es darf jedoch keine zum Vornherein unverhandelbare Positionen geben.

Von Visionen zu Zielen
Neben der Vision einer kleinen aber feinen KWO, die in der Region abgestützt ist und nicht von fremd beherrscht wird, hat der Grimselverein stets auch konkrete Vorstellungen einer Landschaftsentwicklung im Hasli mitgesponnen: Sprudelnde Seitenbäche, die Aare ein tosender Gebirgsfluss, regenbogenfarbene Lichtspiele im brodelnden Hexenkessel des Handeggfalles, eine mäandrierende Aare mit regenerierten Auen im Talboden, Felchen echt aus dem Brienzersee à discretion am Strand genossen, keine brummenden Hochspannungsleitungen im engen Tal, internationaler Wandererstrom auf wiederhergestellten Saumpfaden entlang eines Welterbes der UNESCO, all das vereint mit ökologisch produziertem Grimselstrom, Wirtschaft und Natur im Einklang als gemeinsamer Werbeträger für eine Modellregion Haslital. Aufbauend auf diesen Vorstellungen haben wir im Grimselverein unsere Zielvorstellungen für den Dialog formuliert in drei Themenkreise gegliedert:

Als Erstes streben wir eine differenziertere und griffigere Unterschutzstellung der wertvollen Landschaften an der Grimsel an:

Unterschutzstellung – umfassende Schutzgebiete
Die Moorlandschaft Grimsel und das Flachmoor Mäderlouwenen werden ohne Vorbehalte wie vorgesehen in die Bundesinventare aufgenommen
Für das heutige kantonale Naturschutzgebiet Grimsel, das Grösste im Kanton Bern, wird ein spezieller Schutzstatus errichtet mit differenzierten Schutzbestimmungen und Verzicht einer Sonderstellung des Grundeigentümers in den Kerngebieten von Sunnig-, Lauter- und Oberaar (umfassender Schutz von Biotopen, Gletschern und Vorfeldern)
Die alpinen Gewässer und Gletscher mit ihren Vorfeldern im übrigen Einzugsgebiet der Aare, Susten, Stein, Trift und Gauli oberhalb der heutigen Fassungen, werden unter Schutz gestellt

Eine zweite Gruppe umfasst die Umsetzung der bisher vernachlässigten Sanierungsbestimmungen von Gewässerschutz- und Fischereigesetz; hier handelt es sich also um die konkretisierung des gesetzlichen Auftrages:

Gewässersanierungen – oekologische Aufwertung
Die Hauptgewässer Aare, Urbachwasser, Trift- und Gadmerwasser unterhalb der heutigen Fassungen werden oekologisch aufgewertet und mit Restwasser beschickt, das über dem gesetzlich geforderten Minimum liegt (Art. 33 GSchG)
Die für die Stromproduktion genutzten Nebenbäche werden oekologisch aufgewertet und in jedem Fall mit einer angemessenen Restwassermenge dotiert
Im Rahmen der oekologischen Ausgleichsmassnahmen wird die Aare in ihrem Unterlauf bis zum Brienzersee oekologisch aufgewertet
Der Schwebstoffeintrag in den Brienzersee wird reduziert, so dass seine ursprüngliche fischereibiologische Funktion wiederhergestellt wird


Ein dritter Bereich von Forderungen zielt darauf ab, Eingriffe und Auswirkungen des Projektes während dem Bau und im Betrieb zu minimieren:


Projekt – Minimieren der Eingriffe und Auswirkungen
Griffige Projektierungsrichtlinien und eine oekologische Begleitplanung garantieren, dass die Anlagen grösstmöglich umweltschonend in die Landschaft eingepasst werden
Eine ständige und integrierte oekologische Baubegleitung mit Weisungsbefugnissen garantiert eine schonende Ausführung während dem Bau
Eine oekologische Betriebsaufsicht überwacht gestützt auf ein oekologisches Betriebsreglement, dass die gesetzlichen und werkspezifischen Umweltvorschriften während dem Betrieb eingehalten und falls erforderlich angepasst werden (Restwasserdotationen, Abflussschwankungen, Spülungen usw.)

Diese grundsätzlichen Zielvorstellungen dürfen nicht als enges Verhandlungsmandat aufgefasst werden. Sie können aber die Grundlage für eine konsolidierte Haltung der beteiligten Schutzorganisationen bilden und als gemeinsame Richtschnur dienen. Neben der KWO ist auch der Kanton angesprochen, der bisher seiner Pflicht zur Gewässersanierung und zu ökologischen Ausgleichsmassnahmen in keiner Weise nachgekommen ist. Wir hegen die Hoffnung, dass die KWO parallel zu den Erneuerungs- und Ausbauarbeiten ihrer Anlagen auch ein Konzept zur ökologischen Aufwertung erarbeiten und damit dazu beitragen, dass der Kanton endlich zum Handeln gezwungen wird.

Von den Gefahren...
Die KWO verfolgen ein längerfristiges Ausbaukonzept, das phasen- und etappenweise realisiert werden kann. Sie haben dazu eine dauerhafte professionelle Projektorganisation geschaffen, die nicht nur über technische, sondern auch über Kommunikationskompetenz verfügt. Auch die Schutzorganisationen haben sich in der Begleitgruppe organisiert. Diese Milizorganisation wird es jedoch schwer haben, im Falle eines längerdauernden Belagerungszustandes voll mitzuhalten. Die Gruppe bedarf der ständigen Unterstützung durch die grossen, ebenfalls professionell organisierten Schutzorganisationen. Ermüdungserscheinungen bei den heutigen RädelsführerInnen müssen frühzeitig therapiert werden, damit die ökologische Schiene nicht aus dem Ruder fällt und die Kontinuität garantiert bleibt.

Die einvernehmlich erarbeiteten Lösungen können sowohl seitens Verwaltungsrat wie auch von Organisationen, die ausscheren um eigene Zeile zu verfolgen, komprimitiert werden und so den wiedererlangten Friede gefährden. Fraglich ist auch, ob und wie die politischen Behörden den Dialog akzeptieren. Im Poker der bernischen Machtpolitik sind Ouerschläger stets möglich.

Beide Seiten verfolgen längerfristige Ziele, die sich nur im Gesamtkontext zufriedenstellend realisieren lassen. Ein sich schnell wandelndes energiepolitisches und ökonomisches Umfelde kann schon bald eine Umorientierung oder gar einen vorzeitigen Abbruch des Projektes bewirken, ohne dass die ökologischen Kernforderungen erfüllt sind. Die Wirkung eines Oekokonzepts, das auf halber Strecke aufgegeben wird, würde nutz- und sinnloslos verpuffen. Was würde das der Umwelt nützen, wenn zwar einige Seitenbäche wieder dotiert würden, die Sanierung der Aare aber nicht an die Hand genommen werden sollte und nichts gegen die Trübung des Brienzersees unternommen würde.

...zu den Chancen
Die Schutzorganisationen gehen den Dialog in der klaren Absicht an, neben einer Reduktion der Auswirkungen von KWO Plus eine Verbesserung der heutigen Umweltsituationsituation und eine nachhaltige Sicherung der Schutzbestimmungen zu erreichen. Die Mühlen des Kantons mahlen derart langsam, dass es KWO Plus als Katalysator für staatliches Handeln braucht. Erst der Dialog wird die Voraussetzungen für Sanierungs- und Aufwertungsmassnahmen liefern.

Auch im Haslital selbst kann der Dialog dazu beitragen, verhärtete Fronten aufzuweichen und als Motor für eine nachhaltige Entwicklung zu dienen. Gemeinsame Aktivitäten von Grimselverein und KWO in diese Richtung sind geplant, die als Wegweiser, als Opinionleader in einer Vordenkerrolle eine künftige ökologische und ökonomische Entwicklung beispielhaft vorspuren können.

Erwünschte ökologische Begleiterscheinungen durch das Nutzen von Synergien sind erstrebenswert. Wir haben bereits beim Sachplan Uebertragungsleitungen auf die Möglichkeit hingewisen, die störenden und störungsanfälligen Wäscheleinen im haslital in die geplanten neuen Stollen zu versorgen. Zur Zeit wird im Hsli ein regionales Entwicklungskonzept diskutiert. Wir haben bereits die Idee einer Aarerevitalisierung eingebracht. Als Vorbild kann man sich die neue Schutzphilosophie der Wasserbauer am Beispiel der 3. Rhonekorrektion nehmen. Wer weiss, neben den Schutzbelangen kann eine freierfliessende Aare mit Retensionsräumen und Auenabschnitten auch ihren Beitrag zur Schwebstoffreduktion im Brienzersee leisten.

Ausblick
Wenn im künftigen Dialog Punkte erreicht werden, an denen die Gegensätze und Konflikte unüberwindbar erscheinen, dann wollen wir gern wieder die vielversprechende Botschaft der Neujahrswünsche der KWO Direktion an den Grimselverein wiederholen:
"Nach einem verheissungsvollen Neuanfang möchten wir einen Wunsch für das kommende Jahr mit Ihnen teilen: Möge bei uns die Ueberzeugung reifen und die Erfahrung bestätigen, dass das Suchen von Gemeinsamkeiten mehr Früchte trägt als das Verteidigen von eigenen Positionen."

Es waren nicht nur Stromüberschüsse und sinkende Preise, welche die Grimsel West-Planer zögern liessen, ihr bereits 11 Millionen Franken teures Projekt weiterzutreiben: auf politischer und juristischer Ebene zeichnete sich um die geschützten Landschaften nämlich ein endlos langer Kampf ab.

Verfassungsauftrag Moorschutz
Besonders leidig und von Rückschlägen geprägt ist die Debatte um den Moorschutz an der Grimsel. Obschon die "Sunnig Aar" alle Kriterien einer Moorlandschaft von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung erfüllt, verschiebt der Bundesrat ihre Aufnahme ins Bundesinventar mehrmals mit dem Hinweis auf das hängige Kraftwerkprojekt Grimsel West.

Zwei im Auftrag des Grimselvereins verfasste Gutachten von Staatsrechtsprofessor Alfred Kölz erhärten, dass diese Interessenabwägung verfassungswidrig ist und das vom Bundesrat zur Rechtfertigung ins Feld geführte "höhere Landesinteresse" für Grimsel West nicht zutreffen kann.

Trotz Gegengutachten der KWO und gegen den Willen der Berner Regierung stellt der Bundesrat die "Sunnig Aar" im Juni 1997 doch noch unter den Schutz der Verfassung, als einzige von 89 inventarisierten Moorlandschaften bleibt sie aber nur provisorisch geschützt. Auf den Entscheid will der Bundesrat zurückkommen, "wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Nutzung der Grimsel notwendig ist, um eine absehbare grosse Lücke in der Energieversorgung ab dem Jahr 2015 zu schliessen, oder wenn glaubhaft gemacht wird, dass eine solche Situation nicht eintreten wird". Auch dieser Entscheid widerspricht der Verfassung, weil der Moorschutzartikel keine Interessenabwägung zulässt.

Immerhin stellt er die KWO endlich vor das Problem, den Bedarf für ihr Werk zur Landesversorgung nachzuweisen.

Abschied von Grimsel West...
Noch im Oktober 1998 gibt sich die KWO überzeugt, dass die Realisierungschancen für ihr 4 Milliarden-Projekt auch in einem liberalisierten Markt absolut intakt seien. Gleichzeitig kämpft die Berner Regierung mit Energiedirektorin Dori Schär immer noch vehement für das Offenhalten der Option Grimsel West. Andererseits beginnt in den Partnerstädten der KWO die Unterstützung für das Grossprojekt zu bröckeln.

Im Dezember 1999 teilt KWO-Direktor Gianni Biasiutti an einer Medienkonferenz mit, dass das Projekt Grimsel West nicht weiterbearbeitet werde. Statt dessen sollen die bestehenden Anlagen saniert und die Machbarkeit eines erweiterten früheren Projekts geprüft werden. Das neue Projekt "KWO Plus" sieht vor, in zwei modulartigen Etappen die Staumauern des jetzigen Grimselsees um 20 Meter zu erhöhen, die bestehenden Anlagen zu sanieren, neue Zentralen zu errichten und die Turbinenleistung wesentlich zu steigern. Die heutige KWO gibt sich bewusst offener und moderner mit dem Internetauftritt und dem neuen Signet mit dem Titel „Grimselstrom“. Wie weit die auf dem Papier dokumentierte neue oekologische Ausrichtung nur Propagandamittel oder ernst gemeinte Strategie ist, wird sich bald einmal bei der Kernfrage des Moorschutzes zeigen.

Ob das teure Grimsel West am gewandelten Strommarkt oder am Widerstand gescheitert ist, bleibt offen und ist letztendlich egal. Wahrscheinlich ist, dass der Widerstand der UmweltschützerInnen dem Projekt in entscheidenden Momenten den nötigen Schwung zu nehmen vermochte, bis es schlussendlich - zum Besten für alle Beteiligten- über sich selber gestolpert ist. Sicher ist, dass die Promotoren bei ihrem Verzichtsentscheid den Gedanke an das vom Bundesrat bei der Moorschutzfrage zu Hilfe gezogene Konstrukt des „höheren Landesinteressens“ und den von der Berner Regierung herbeibeschworenen „Mühleberg-Ersatz“ zu verdrängen wussten. Die Politik hat ganz offensichtlich vor der Wirtschaft kapituliert, sie hat es versäumt, ihre Führungsrolle wahrzunehmen und die Verfassungsrechte vor überbordenden wirtschaftlichen Interessen zu wahren.

...und Ausblick
Der Grimselverein will zu "KWO plus" erst Stellung nehmen, wenn Notwendigkeit und Umweltverträglichkeit des Projekts untersucht sind.

Einerseits erscheint die Beeinträchtigung der Landschaft moderat, verglichen mit derjenigen von Grimsel West, und es würde - ohne Pumpen- zusätzliche Wasserkraft erzeugt. Andererseits würde auch diesem Projekt ein Teil der Moorlandschaft und des Arvenwalds und das ganze Vorfeld des Unteraargletschers zum Opfer fallen. Der Grimselverein wird sich bereithalten, mit den Projektanten einen "Konfliktlösungsdialog" aufzunehmen nach den Richtlinien, die im Rahmen von "Energie 2000" von Bund, VSE (Verein Schweizerischer Elektrizitätswerke) und Umweltverbänden gemeinsam erarbeitet wurden. Vorläufige Verhandlungsziele des Grimselvereins könnten in einem umfassenden und definitiven Schutz der von der Wasserkraftnutzung noch nicht beeinträchtigten Gewässer und Gletscher der Grimselregion bestehen, sowie in Massnahmen zur Sanierung und ökologischen Aufwertung der genutzten Gewässer. Im weiteren wird der Grimselverein erneut an den Bundesrat herantreten mit den Forderungen nach definitivem Schutz der Moore und Moorlandschaft an der Grimsel und Aufnahme der Aaregletscher in die Unesco-Welterbeliste.